Robert Marcel Becker

Die KunstWohlfahrt in der Klauprechtstraße zeigt einen Überblick über das kreative Schaffen eines vertrauten Nachbarn aus der Karlstraße. Robert Marcel Becker leitet bekanntlich ein Fotostudio an der Ecke der Mathystraße.
Wie jeder professionelle Fotograf, der sein Metier beherrscht, produziert Robert Becker ausgefeilte repräsentative oder intime Porträts seiner Kundinnen und Kunden und entwickelt dabei einen Blick für Form, Komposition, Farben, Posen und Inszenierungen. Und das Gespür für die Psychologie des Modells und des Betrachters spielt bei solchen kreativen Abbildungen ebenfalls eine große Rolle.
Die Fotografie ist bekanntlich die vitale Halbschwester der Malerei, auch wenn sie nicht immer als künstlerisch ebenbürtig erachtet wird. Sie kann aber auf jeden Fall als taugliches Sprungbrett für freie künstlerische Gestaltung dienen. Genau dies trifft natürlich auf Robert Becker zu, der hier ja keine Fotostudioarbeiten im engeren Sinn zeigt.
Zu sehen sind vielmehr kreative Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten, die alle unter dem Titel „Spieltrieb und Sinnsuche“ stehen könnten.
Der Spieltrieb des homo ludens führt zu immer neuen Experimenten mit Techniken und Materialien, wobei sich die Skulpturen am weitesten von der Lichtbildnerei entfernen. Diese mögen zunächst als skurrile abstrakte Gebilde erscheinen, in Wirklichkeit sind es aber lesbare Zeichen und plastische Sinnbilder. Auffällig sind die vielen Augen, die uns entgegenblicken. Man braucht nun nicht gleich an archetypische Zeichen im Sinne C. G. Jungs zu denken. Es genügt, sich zu vergegenwärtigen, dass jedes Objektiv ein kostbares mechanisches Auge ist.


Die frühesten Arbeiten haben sich aus der photographischen Dunkelkammer heraus entwickelt. In Fotogrammen spielt der Künstler mit Positiv –negativ- Effekten. Er erprobt Emulsionen und überträgt sie auf die verschiedensten Materialien.
Seit einiger Zeit experimentiert R. B. mit inszenierten und meist manuell bearbeiteten, kolorierten Fotografien, die er auf bemalter Leinwand präsentiert. Diese Bilder zeigen mehrfach nostalgische Elemente. Sie markieren eine Rückkehr zu traditionellen Themen und Effekten. Aufbau, Farbton, Requisiten wirken fast altmeisterlich oder erinnern an erotische Fotos aus dem fin de siècle.
Modern aussehende Requisiten werden bewusst vermieden. Alle Gerätschaften haben einen Bezug zur dargestellten Person. Der Betrachter fragt sich, wie die Bilder technisch entstanden sind. Was ist Fotografie, was ist Malerei? Was ist traditionell, wo wird die Tradition verfremdet oder weiter entwickelt?
Nostalgisch ist vielleicht aber auch ein Rückbezug auf die ursprüngliche Heimat des Künstlers, der in Sarreguemines geboren ist. Das inszenierte Porträt wird in französischen Fotostudios noch immer praktiziert. Erstkommunikanten in Kutten vor gotischen Bögen, Neuvermählte in künstlichen Posen vor pompösen Hintergründen. Nur das nackte Baby auf weißem Fell ist leicht aus der Mode gekommen.
R. B. spielt bewusst oder unbewusst mit dieser Tradition. Er verhüllt und enthüllt, und schafft Sinn durch Kostüme und teils seltene Requisiten. Dabei können die Modelle sich selbst, Typen oder Allegorien verkörpern. Es geht nicht todernst zu, aber es geht auch nicht um die Dekonstruktion überkommener Motive.
Das gilt auch für den weiblichen Christus auf der Einladungskarte. Bei aller ironischen Distanz hat Robert Becker sich einen Sinn für Mysterien bewahrt.
Schauen Sie sich die Arbeiten noch einmal genau an. Es lohnt sich. Fragen zu Details wird Ihnen der Künstler gerne erklären.
F. Kohlenberger
17.09.2010